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Uwe hat seinen Platz gefunden - Inklusion am Arbeitsplatz

Uwe Meye arbeitet seit Jahresbeginn im Housekeeping des Markkleeberger Hofes. Der wird von der Gemeinnützigen Job Leipzig GmbH betrieben, die sich der Inklusion behinderter Mitarbeitender verschrieben hat: Von den 22 Mitarbeitenden haben sechs eine Behinderung. Uwe ist einer von ihnen.

MARKKLEEBERG. Der 30-Jährige arbeitet sich täglich von unten nach oben.Während die Hotelgäste das Frühstück genießen, desinfiziert Meye Laufband und Stepper im Fitnessraum, wischt den gefliesten Boden. In der Spiegelwand wirkt er schmal, verschwindet fast hinter den kompakten Geräten. Schwarze Dienstkleidung, schwarze Maske, langes, zum Pferdeschwanz gebundenes Haar.

Auf die Frage, ob er seine Arbeit gern mache, zögert er einen Moment. „Ja“, sagt er leise. „Nur das frühe Aufstehen ist nicht schön.“ Erst nach mehrmaligem Umsteigen erreicht er morgens das Hotel. Er wohnt in einer Zweier-WG, erzählt er auf Nachfrage, mag Videospiele. Von sich aus sagt er nichts, hält den Blick auf den Eimer mit Wischwasser geheftet, fährt konzentriert und zügig über die Flächen. Weiter geht es Richtung Sauna, wo es noch schnuckelig warm ist. Die Toiletten im Untergeschoss hat er schon erledigt.

„Von unseren sechs Inklusionskräften ist eine in der Verwaltung tätig, drei unterstützen das Küchenteam und zwei sorgen dafür, dass alles sauber und aufgeräumt ist“, berichtet Hotelchefin Ivonne Hauschild. Sie ist zugleich Geschäftsführerin der gemeinnützigen Job Leipzig GmbH, die zur IFB-Stiftung (Inklusion durch Förderung und Betreuung) gehört. Hauschild ist überzeugt, dass Inklusion im Hotelgewerbe sinnvoll ist. Deshalb hat die gelernte Köchin nicht bereut, dass sie sich nach langer Selbstständigkeit für das Management dieses besonderen Gästehauses im Landkreis Leipzig entschieden hat. „Wir geben Menschen mit Einschränkung die Chance, sich im ersten Arbeitsmarkt zu bewähren. Sie verdienen ihr eigenes Geld, führen ein eigenständiges Leben. Dafür erhalten wir Fördermittel. Aber die sind nicht der Grund, warum wir Inklusion leben. Wir tun es, weil uns Personal mit und ohne Einschränkungen gleichermaßen willkommen ist – genauso wie Gäste mit und ohne Behinderung.“

Uwe Meye ist fertig mit dem Untergeschoss. Jetzt gibt es Frühstück mit allen Kolleginnen und Kollegen. Auch Evelyn Wende sitzt mit am Tisch. Sie ist Meyes Tandem-Partnerin im House-Keeping. Jeder der sechs Inklusionskräfte arbeitet Seite an Seite mit einem Mitarbeitenden ohne Behinderung. Das heißt nicht, dass jeder Schritt unter Beobachtung steht. Denn Uwe Meye, der viele Jahre in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gearbeitet hat, kennt seinen neuen Job mittlerweile gut. Bevor er am 1. Januar im Markkleeberger Hof anfing, hat er dort bereits ein Praktikum absolviert und sich dann bewusst für den Zimmerservice entschieden und gegen den Küchendienst. Er mag die Bewegung und findet das Arbeiten abwechslungsreich. Evelyn Wende bespricht jeden Morgen mit ihm, was in welcher Reihenfolge zu tun ist. „Und ich achte darauf, dass er sich nicht zu viel vornimmt“, sagt sie. „Fünf Gästezimmer sind genug.“ Mit dem Aufzug schwebt sie samt Meye und Putzwagen vom Keller unters Dach. Nachmittags stehen noch Rezeption und Treppenhaus auf Meyes Programm. Dann geht es am frühen Nachmittag nach Hause.

 

Infobox

Behinderung fast 90 Prozent Krankheitsfolge

Nur etwa 3 Prozent der Menschen mit Behinderung werden laut Statistischem Bundesamt mit ihrer Einschränkung geboren. Der Großteil der Einschränkungen wird im Laufe des Lebens durch Krankheit (89 Prozent), Unfall (1 Prozent) oder andere Ursachen „erworben“. Die übrigen Ursachen summieren sich auf 6 Prozent: 7,9 Millionen schwerbehinderte Menschen leben in Deutschland - Statistisches Bundesamt (destatis.de)

„Wir wollen gar nicht wissen, wie unsere Mitarbeitenden zu ihrer Behinderung gekommen sind. Oft sind es schlimme Schicksale, die dabei eine Rolle spielen. Um mit ihnen normal und unbefangen umzugehen, interessiert uns nur, was wichtig ist für die tägliche Arbeit, also beispielsweise, wie belastbar er oder sie ist. Ansonsten gilt: Privatsphäre wahren. Wer etwas über sich erzählen mag, kann das tun. Wenn nicht, ist es auch okay“, sagt Hotelchefin Ivonne Hauschild. Auch hier macht sie keine Unterschiede: „Ich frage ja auch keinen gesunden neuen Mitarbeiter, ob er irgendwelche Traumata erlitten hat.“

Geringe Erwerbsquote

Menschen mit Behinderung haben es am Arbeitsmarkt nach wie vor schwer. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) 2021 mitteilte, waren knapp 57 Prozent der Menschen mit Behinderung zwischen 15 und 64 Jahren berufstätig oder suchten nach einer Tätigkeit. Zum Vergleich: Die Erwerbsquote nicht-behinderter Menschen in dieser Altersgruppe betrug knapp 82 Prozent. 57 % der Menschen mit Behinderung zwischen 15 und 64 Jahren waren 2019 in den Arbeitsmarkt integriert - Statistisches Bundesamt (destatis.de)

Uwe Meye sorgt für Sauberkeit im Fitnessraum.
Hotelchefin Ivonne Hauschild steht voll hinter dem inklusiven Konzept des Markkleeberger Hofes.
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