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Tiergestützte Therapie im Kinderhaus Nesthäkchen

Das kleine Glück kommt auf vier Pfoten

GÖRSROTH. Ein Mädchen kauert wie ein großes rosa Kissen auf dem Boden. Die 16-Jährige wohnt im Kinderhaus Nesthäkchen und hat, wie alle Bewohner hier, schwere geistige und körperliche Beeinträchtigungen. Blue ist das egal. Die Labradorhündin will „Hallo!“ sagen, stupst das Kind sanft an und gibt ihm – kaum, dass es den Kopf hebt – ein „Küsschen“. Die Jugendliche richtet sich sofort auf, ihre Aufmerksamkeit gilt jetzt ganz dem Hund. Als ein kleiner Junge im Rollstuhl sich nähert und ebenfalls freundlich begrüßt wird, protestiert das Mädchen heftig, es will den Hund für sich allein haben. Aber mit dem Frust muss es leben, denn der pechschwarze Labrador ist dienstlich im Nesthäkchen und hat heute andere Patienten.

Drei Kinder trifft die zehnjährige Blue an diesem Tag zur tiergestützten Therapie. Dann schläft sie ein bisschen, während ihr Herrchen Dirk Kelschenbach vier andere Kinder osteopathisch behandelt. Wenn sie wieder fit ist, besucht sie noch ein weiteres Kind. Einmal pro Woche kommen die beiden von Katzenelnbogen nach Görsroth. „Wir arbeiten bereits seit Jahren mit dem Kinderhaus zusammen und haben die Kinder aufwachsen sehen.“ Möglich wird die tiergestützte Therapie dank der Spenden der Bärenherz Stiftung. „Ohne Spenden könnten wir solche Angebote nicht machen. Auch die Osteopathie ist keine Standardleistung der Krankenkassen. Aber sie tut vielen unserer Kinder gut, genau wie der Besuch des Hundes ihnen guttut“, sagt Erik Gallasch, Leiter des Nesthäkchens.

Blue fällt es leicht, Zugang zu den Kindern zu bekommen. Sie mag Zweibeiner und nimmt sie so, wie sie sind. Unkoordinierte Bewegungen oder schrille Laute? Kein Problem. Wenn es ihr zu bunt wird, geht sie. Die Kinder lernen schnell, sich die Nähe des Hundes zu erhalten. Zum Beispiel der energiegeladene Brian. Der 16-Jährige sitzt im Rollstuhl und wirft einen roten Puck über die linke Schulter. Blue rennt los und bringt das Wurfobjekt zu Frauchen Nadine Kelschenbach, die heute mit im Nesthäkchen ist. Aber es ist Brian, der Blue ein Leckerchen gibt. Erst hantiert er damit etwas stürmisch. „Langsam, sonst geht die Blue weg“, sagt Kelschenbach. Und der Junge schaltet einen Gang zurück. Als ihm der Hund mit den Vorderpfoten begeistert auf den Schoß springt, geht ein Strahlen vom linken bis zum rechten Ohr.

Dann begleitet Blue sein Herrchen zu Theo. Von den pädagogischen Mitarbeitenden und den Pflegefachkräften der Wohngruppen weiß Dirk Kelschenbach, wie es den Patienten gerade geht, was er mitdenken muss. „Theo geht es heute nicht so gut. Er hatte in der Schule drei Krampfanfälle. Meistens hilft ihm Blue, sich zu entspannen. Wir müssen schauen, wie es heute ist.“ Theo ist 13. Er liegt gut abgestützt auf einer großen weichen Matte. Dirk Kelschenbach breitet eine Decke aus, Blue legt sich neben den Jungen und bettet ihren Kopf auf derSchulter des Jungen. Seine verkrampfte Hand führt Dirk Kelschenbach zu Blues weichem Fell. Der Junge formt unentwegt Laute. Erzählt er Blue was für einen harten Vormittag er hatte? Langsam wird Theo ruhiger und wirkt präsenter, ein Lächeln streift sein Gesicht, die Augen fallen zu, er schläft. „Gute Arbeit“, sagt Kelschenbach leise zum Hund, gibt ein Leckerchen aus und Wasser. Dann geht es zum nächsten Kind.

Infobox

Nadine und Dirk Kelschenbach sind Inhaber der B & K Praxis für Human Osteopathie, Physiotherapie und Naturheilkunde in Katzenelnbogen. Der Kontakt zum Nesthäkchen entstand, „als eine Betreuerin fragte, ob sie auch Osteopathie im stationären Bereich und für Kinder anbieten.“ In der Praxis hatte das Ehepaar bereits vielen jungen Patienten helfen können, teilweise auch gemeinsam mit dem Therapiebegleithund. „Kinder mit schwersten Beeinträchtigungen, das war damals neu für uns. Aber wir merkten schnell, dass sie auf Blue reagieren, sich freuen, sie nah bei sich zu haben. Deshalb fahren wir bis Görsroth. Es ist ein bisschen wie Familie. Und wir gehören dazu“, sagt Nadine Kelschenbach.

Blue fällt es leicht, mit den Kindern aus dem Nesthäkchen in Kontakt zu kommen. Unser Foto zeigt sie mit Brian und Nadine Kelschenbach.
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