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Das Rad weiterdrehen - Neue Geschäftsführung bei der IFB-Stiftung

Gründerenkelin Melissa Groh leitet seit Jahresbeginn 2022 die Geschäfte der IFB-Stiftung, die sich seit 1959 für Inklusion durch Förderung und Betreuung stark macht. Die 27-jährige Erziehungswissenschaftlerin gehört auch dem geschäftsführenden Vorstand an. Sie teilt die familiäre Leidenschaft und unternehmerische Initiative für eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Menschen. Und sie will das engmaschige Netz an Hilfsangeboten weiterknüpfen.

„Ich hätte alles machen können“, sagt Melissa Groh, 27, seit Jahresbeginn Geschäftsführerin der IFB-Stiftung. Hat sie aber nicht. Nach einem Studium der Erziehungswissenschaften und drei Jahren beim Wiesbadener Stadtjugendring entschied sie sich bewusst dafür, das „Familienunternehmen“ in dritter Generation fortzuführen. Warum? „Da fließt reichlich IFB-Herzblut in meinen Genen. Ich habe schließlich große Teile meiner Kindheit in inklusiven Kitas und auf Sommerfesten unserer Einrichtungen verbracht“, schmunzelt sie. „Außerdem finde ich, dass die IFB-Stiftung eine sehr gute Arbeit macht. Die ist keineswegs abgeschlossen. Ich will dieses Rad weiterzudrehen.“

Vom Mangel zur Modellregion

Kontinuität und Weiterentwicklung also. Die Herausforderungen, die sie gemeinsam mit den mittlerweile rund 1000 Mitarbeitenden und vielen Ehrenamtlichen zu meistern hat, sind andere als 1959. Damals gründeten ihre Großeltern, Christian und Alma Groh, in ihrem Heimatort Georgenborn eine private Elterninitiative. Sie wollten ihren spastisch gelähmten Sohn Karlheinz zu einem möglichst eigenständigen Leben befähigen. Es gab seinerzeit keine Angebote zur Teilhabe behinderter Menschen am normalen Leben. Diesen Mangel wollten die Grohs nicht akzeptieren, organisierten eine Wanderlehrerin, die besondere Kinder wie Karlheinz unterrichteten. Heute ist Wiesbaden, wo die IFB ihren Sitz hat, Modellregion für Inklusion in Hessen, berichtet Melissa Groh. Daran hat die IFB-Stiftung einen nicht unerheblichen Anteil.

Unsentimental und pragmatisch

Wenn Melissa Groh von ihrer Prägung in der IFB erzählt, kommt die ganze Familie vor. Neben den Großeltern vor allem ihr Vater Wolfgang Groh, der das dynamische Wachstum der IFB zum heutigen Netzwerk konsequent vorantrieb und auch heute noch den Vorstandsvorsitz bekleidet. „Wir arbeiten sehr professionell zusammen. Wenn es um die IFB geht, ist er für mich ‚Herr Groh‘. Ich kann immer auf seinen Rat und sein Erfahrungswissen bauen. Aber als Geschäftsführerin verantworte ich das operative Geschäft in allen Fachbereichen und treffe meine eigenen Entscheidungen“, sagt sie. Angst, Entscheidungen revidieren zu müssen, wenn sie sich als nicht zielführend herausstellen, hat sie nicht. „Alles ist besser, als nichts zu tun, wenn man sieht, dass ein behinderter Mensch Hilfe braucht und allein immer wieder vor Wände läuft. Für mich ist es von klein auf normal, Rollstühle Treppen und Berge hoch und runter zu bugsieren. Hindernisse sind dazu da, bewältigt zu werden“, sagt Melissa Groh.

Sie sieht das ganz unsentimental. „Behinderte Menschen brauchen weder Mitleid noch eine Vorzugsbehandlung. Aber gleiche Lebenschancen. Bei inklusiven Jobs etwa, wie sie das IFB-Netzwerk in Küche oder Gebäudereinigung anbiete, gelten gleiche Regeln für alle. „Auch behinderte Menschen müssen pünktlich sein. Sie wollen nicht in Watte gepackt werden. Warum auch?“

Inklusiv im Osten

Melissa Groh wurde 1994 geboren. „Da haben wir gerade Einrichtungen im Raum Leipzig erschlossen.“ Seither seien dort eine Vielzahl inklusiver Projekte entstanden, die es so vor dem Mauerfall dort nicht gab. „Aktuell bauen wir ein Drei-Sterne-Haus in Markkleeberg zum Inklusionshotel um. Dort arbeiten dann Teams aus behinderten und nichtbehinderten Menschen in Küche und Service Seite an Seite. Und natürlich ist das Haus barrierefrei, um Gäste mit und ohne Einschränkung willkommen zu heißen.“

Löwenmut gegen Township-Gleichgültigkeit

Von Wiesbaden aus „exportierte“ die IFB inklusives Knowhow keineswegs nur nach Sachsen. Sie engagiert sich unter dem Projektnamen „Löwenmut“ seit vielen Jahren in Südafrika. „Ich habe selbst schon als Jugendliche und später beim Stadtjugendring internationale Jugendfreizeiten und -begegnungen mit organisiert. Kontakte zwischen Kulturen zu knüpfen, ist immer spannend.“

Das Kinderheim und -hospiz Löwenmut, zu denen auch eine Farm und eine inklusive Kita gehören, liegen in Kilpriver, etwa 45 Kilometer südlich von Johannesburg. 2023 werden dort nach Fertigstellung eines weiteren Anbaus rund 70 Kinder mit Einschränkungen inklusiv betreut werden. Kinder aus den Townships haben dort auch heute noch keine echte Chance auf Förderung, vegetieren teilweise unversorgt und ohne Betreuung in einfachsten Hütten vor sich hin. Bei Löwenmut werden sie individuell gefördert. Schaukeln und Karussellfahren mit Rollstuhl trotz schwerster Erkrankungen? Mit Löwenmut geht das. „Wir freuen uns riesig, dass wir hier in Deutschland Menschen und Unternehmen finden, die nicht nur nach Südafrika reisen oder dort Geld verdienen wollen. Sondern die sich dafür interessieren, wie behinderte Menschen vor Ort leben“, sagt Groh.

 

Sie will Bestehendes weiterentwickeln, Antworten auf Fragen finden, die sich heute erstmals stellen. Beispiele gibt es viele: Heute werden behinderte Menschen oft deutlich älter als noch vor wenigen Jahren. Das verlangt angepasste ambulante und stationäre Angebote. Auch die Inklusion am Arbeitsplatz ist ausbaufähig: Eltern behinderter Kinder suchen oft vergebens nach Ausbildungsbetrieben. Nicht weil die Firmen grundsätzlich keine behinderten Menschen einstellen wollen, sondern weil sie unkalkulierbaren Mehraufwand fürchten. Die IFB will hier ermutigen und Lösungen anbahnen.

Die Dinge passend machen für Menschen mit besonderen Bedarfen: Das ist Tradition, Markenkern und Triebfeder der IFB-Stiftung seit ihrer Gründung. Melissa Groh will sie zeitgemäß fortführen. Und was sagt Vorstandschef Wolfgang Groh dazu? „Ich bin sehr froh, dass wir mit dem Übergang in der Geschäftsführung und damit in der Verantwortung für das operative Geschäft die Weichen für die Zukunft der IFB-Stiftung gestellt haben. Ich bin 63 Jahre alt und will perspektivisch die Leitung des IFB-Netzwerks in jüngere Hände legen. Bei meiner Tochter weiß ich sie in guten Händen.“

 

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